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Latein-Kurs betreibt paläographische Detektivarbeit

Mit den iPads in den Bibliotheken von Oxford, Paris und des Vatikans auf den Spuren der Catull-Überlieferung.

Es ist wie bei „stille Post“. Der erste Mitspieler flüstert seinem Nachbarn einen Satz ins Ohr und ein paar Mitspieler weiter kommt etwas ganz anderes heraus. So ähnlich muss man es sich vorstellen, wenn lateinische Literatur seit ihrer Entstehung in der Antike bis zu den ersten gedruckten Büchern immer und immer wieder abgeschrieben wurde, Missverständnisse inklusive.

Ein besonders spannender Fall ist der für seine Liebesgedichte bekannte lateinische Autor Catull (1. Jh. v. Chr.). Einem Unterrichtsvorschlag Wilfried Lingenbergs (AU 3/2021) folgend, schauten sich die Kursmitglieder im November 2021 zwei Catull-Gedichte (carmen 92 u. 93) in drei der berühmtesten Bibliotheken Europas virtuell an.

Mit den neuen iPads war es spielend leicht, dort in über 600 Jahre alte Handschriften einzutauchen, die alten Texte auf den Bildschirm zu holen und bis auf die letzte Papier-Faser an die Buchstaben heranzuzoomen.

Doch jetzt wurde es erst richtig spannend. Über beim Abschreiben entstandene Fehler ermittelte der Kurs unter der Leitung von Herrn Dr. Hanstein, welche Schreiber (fast wie in einer Klassenarbeit) voneinander abgeschrieben hatten. So rekonstruierten wir in paläographischer Detektivarbeit exemplarisch an ein paar Catull-Versen 1) unterschiedliche Schreibweisen wie etwa „Cesar“ für „Caesar“, 2) Buchstaben-Formen (i noch ohne i-Punkte) und 3) die gemeinsame Quelle aller heute bekannten Catullhandschriften: Dabei handelt es sich um einen Codex aus dem 14. Jahrhundert, der in Catulls Geburtsort Verona gefunden, abgeschrieben, aber seitdem nie mehr gesehen wurde. Außerdem lernten wir geniale Altphilologen kennen, die es schon um 1500 mit ihren Einfällen schafften, den Sinn und Text stark verunstalteter Verse wiederherzustellen.

Ach ja, und worum ging es in den Gedichten eigentlich? Ein Gedicht verspottet Caesar – so etwas traute sich Catull, doch zum Glück kannte sein Vater den späteren Alleinherrscher recht gut! – das zweite behandelt Lesbia, Catulls große Liebe. (Hn)

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